Die Kunstszene, bei der er sich nicht anbiederte, hat ihn begraben und vergessen. Aber so geht das nicht weiter. Man muß die Ärmel aufkrempeln und ihn aus der Versenkung holen – wenn es hart auf hart kommt, an den eigenen Hosenträgern. Blenden wir zurück. Mitten im Krieg
in einer dem Untergang geweihten Großstadt geboren, waren die ersten Lebensjahre für EvdM sicher kein Zuckerschlecken.
Der Vater fiel, doch auch in Köln hielten die Familienbande und das Tantennetz.
Der Jüngling gedieh selbst noch als Schulabbrecher,
geriet dann aber mit neunzehn in den freien Fall
und setzte sich ins westfälische Münster ab. An diesem Gegenpol alles Leutselig-Rheinländischen machte sich der Fremde die landestypische Reserviertheit gegenüber Fremden
in einem erstaunlichen Maße zu eigen, probierte den Dickkopf auf und verfiel endlich nur noch dann in seine Muttersprache Kölsch, wenn er sich entgegen den neuen Gewohnheiten ordentlich in Rage geredet hatte.
Nach zunehmend zielgenauen Versuchen, sich zum Künstler
auszubilden – Schaufenstergestalterlehre in Köln, Design-, danach Kunsterzieher-Studium in Münster –, fand er schließlich seine Nische als Freihandzeichner am Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte. Bei der Darstellung der Fundstücke perfektionierte er sein handwerkliches Können und griff en passant auch zahlreiche Motive ab. Malen aber tat er – bei laufendem Fernseher und/oder lebhafter Unterhaltung – im Wohnzimmer
oder – abgestillter – im ehelichen Schlafgemach.
EvdM war auch nach seinem Grenzübertritt ins Westfälisch-Unbeirrbare kein Kostverächter
und mit zwei Fischaugen
gesegnet, die das pralle Leben ohne Prüderie und Anbiederung an sich vorüberziehen ließen. Ob es sich um die klerikalen Gottesanbeter handelte, welche die urbanen Milieus von Köln und Münster hinterrücks wieder verbanden,
oder die Wiedertäufer der Fleischeslust,
ob jemand nicht dabei gewesen sein wollte
oder ein zweites Gesicht unter der Gürtellinie herauskehrte,
immer waren die Feder oder der Farbstift zur Stelle. Menschenbilder die Hülle, die Fülle, drunter und drüber,
Enthüllungen am laufenden Band.
Bis dem Diagnostiker 1997 selbst die Diagnose gestellt wurde: sterbenskrank.
Fast zwei Jahrzehnte später wird es hohe Zeit für den Widerruf und eine Website, die augenfällig macht, wie weit die Experten damals daneben lagen.
U.H.